Zwischen Himmel und Erde
Hoch oben stehen seine Figuren über scheinbar unsicherem Grund. Der in Berlin lebende Bildhauer Hubertus von der Goltz hat mit seiner Idee, silhouettenhafte Figuren auf Stangen oder Dachkanten balancieren zu lassen, einen unverwechselbaren künstlerischen Beitrag zum plastischen Schaffen der Gegenwart geleistet. Seine Installationen sind skulpturale Eingriffe in unsere gewohnte Umwelt und führen den Betrachter zu neuen, überraschenden Sehweisen. Der Blick auf das Gebäude, die Wand oder die Ecke in vertrauter wohnlicher Umgebung ist plötzlich ein anderer. Gemessen am Volumen, sind die szenischen Eingriffe von Hubertus von der Goltz eher bescheidener Natur. Es ist der visuelle Ein- und Nachdruck, mit dem sich seine Skulpturen spontan einprägen und stets aufs Neue in Erinnerung bringen.
Die Arbeiten im Freien korrespondieren mit den Proportionen der Architektur. Sie ist gleichzeitig Partner im ästhetischen Dialog und tragender Sockel. Seine Arbeiten sind uns nahe, weil sie das menschliche Maß respektieren und uns, Betrachter oder Nutzer mit einbeziehen. Der dünnwandige Silhouettenschnitt seiner Figuren erschließt sich dem Betrachter erst in der Situation des Draufblicks. So wird aus einer, im spitzen Winkel gesehenen scheinbar gegenstandslosen Installation im zunehmenden Gang ein figuratives Szenarium an ungewöhnlichem Ort.
Die Arbeiten im Innenraum appellieren an die Imagination des Betrachters. Licht und Schatten erweitern die miniaturhaften Szenerien in eine Dimension des Nichtgreifbaren, geben ihnen einen Nachhall aus der Unendlichkeit des Schattens und lassen den metaphysischen Gehalt der kleinen dahinschreitenden Figuren spürbar werden. Insofern ist den Kompositionen von Hubertus von der Goltz auch immer etwas leises, etwas kontemplatives zu eigen. Es ist eine Qualität an Ruhe, wie man sie beispielsweise aus Japanischen Gärten kennt. In den existiellen Zeichen finden wir uns selbst wieder. Es ist eine geistige Haltung, der wir in seinen Arbeiten begegnen.
Die Skulpturen von Hubertus von der Goltz sind "eycatcher" - sind Kunstwerke von einem hohen Aufmerksamkeits- und Erinnerungswert. Vielleicht liegt dies auch daran, daß jenseits aller bestaunenswerter technischer Lösungen, die bei der Montage erbracht werden müssen, der gleichnishafte Sinn seiner Installationen stets gegenwärtig bleibt. Seine Arbeiten sind Sinnbilder für das Leben. Sie berichten vom Hinüberschreiten über Klüfte, vom Erreichen neuer Ufer im tastenden, balancierenden Vorwärtsschreiten, lassen Bilder von Abschied und Ankunft erahnen.
Friedrich W. Kasten